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LeipJAZZig-Konzertreihe: Lora Kostina Trio & Pascal von Wroblewsky

20 September 20:00 22:00

Record Release: PASTERNAK
Lora Kostina Trio & Pascal von Wroblewsky

Diese Musik ist erfüllt von vielen Stimmungen und Färbungen.
Dort gibt es die Trauer und Dunkelheit der russischen Melancholie, die Freude und Wärme, und ja, auch die Begeisterung; helle Farben in schnellen Bewegungen, und die Kraft und Schönheit von Pasternaks Gedichten, die triumphierend durch die Wolken klingen.
Ich liebe diese Musik, sie hat mich tief bewegt. Schenken Sie ihr etwas von Ihrer Zeit.
Richie Beirach

Dichter und Denker gehen in aller Regel schriftlich auf Gedankenreisen, Lora Kostinas philosophisches Fortbewegungsmittel heißt Jazz. Mit ihrem Trio hat sich die Pianistin immer wieder an das, was uns und die Welt im Innersten zusammenhält, herangetastet – im wahrsten Sinne des Wortes. Die endlos spannende Suche nach Antworten auf die Frage „Wer bin ich und wer sind wir?“ teilt die gebürtige Sankt-Petersburgerin mit ihrem Landsmann Boris Pasternak (1890–1960). Dessen Gedichte veredelt das Lora Kostina Trio nun zu hochkomplexen Klangfahrten. Und siehe da: Der über die Jahre mitunter erstarrte Doktor-Schiwago-Nobelpreisträger beginnt, sich zu bewegen …

Solch eine lyrische Verjüngungskur und Neu-Aneignung funktioniert nur mit einer gestandenen Interpretin: Pascal von Wroblewsky, seit Jahrzehnten in der europäischen Jazzszene aktiv, haucht den Texten – die 70 Jahre und mehr auf dem Buckel haben, aber immer noch mehrdeutig glitzern wie russische Ikonen – gekonnt frisches Leben ein. Im Opener „Hamlet“, zugeeignet dem Grübler par excellence, verwandelt sie die Verse in episches Theater, steigert sich vom emotionslosen Brecht-Sound („Der Lärm verebbt / Ich trete auf die Bühne“) hinein in die Klage des Außenseiters im „Pharisäerrudel“, um sich schließlich im befreiten Scat-Singing zu erheben. Es ist ein Genuss, wie diese Ausnahme-Stimme mit den Silben spielt und gekonnt zwischen deutschen und russischen Texten wechselt, als sei es das Natürlichste der Welt.

Lora Kostinas farbenreiches Klavierspiel vereint mühelos romantische Koloratur, klassische Strenge und moderne Experimentierlust. Gemeinsam mit Daniel Werbachs warm getupftem Bass und Tom Friedrichs präzis-dynamischem Schlagzeug, das auch solistisch nie in Kraftmeierei abdriftet, baut die Leipziger Jazz-Pianistin der jazzigsten Stimme Berlins einen perfekten, weil luftigen Raum. In diesem entfaltet sich nicht nur ein wunderbar wohltemperierter Gesang, sondern auch die Phantasie des Hörers. Letztere ist das eigentliche Ziel Pasternaks. Seine ins Wort verwandelten Empfindungen von Natur, Religion, Gesellschaft, Liebe sind magische Augenblicks-Perspektiven – das große Bild, den eigenen Reim auf die Geschichte muss sich jeder selbst machen: „Wer wird nach diesen Zeiten / Noch wissen, wie’s uns ging / Wenn Schwätzer sich verbreiten / Doch wir schon nicht mehr sind?“.

Ihrer Sängerin alle Stücke auf den Leib zu schreiben und die Stimmungen organisch aus dem Inhalt zu entwickeln, das ist eine Kunst, die Lora Kostina beherrscht. Mal kommt ihre Musik wellengleich repetitiv daher („Der Wind“), mal auf Latino-Füßen („Wenn ich hätte wissen können“), mal in Gospel-Tradition, wie in „Magdalena“. In diesem Auferstehungsstück wächst aus Trauer und Einsamkeit eine weltumarmende Liebe. Wenn Von Wroblewksy ihr selbstbewusst-frohgemutes „Morgen werden alle es erleben“ in den Gemeinde-Raum setzt und das Trio old-cool-jazzend ins Schweben kommt, dann scheinen auch die guten alten Jazz-Optimisten und Manfred Krug in seiner besten (DDR)-Jazzsängerzeit leise lächelnd mit dem Kopf zu nicken. Aber diese Platte schließt nicht nur mehrere Zeit-Kreise, sie ist auch hochaktuell. Weil sie Grenzen und Schlussstriche nicht akzeptiert. Sowjetische Moderne – damals wegen ihres systemzersetzenden Individualismus zeitweise verboten – trifft amerikanische Musik, gespielt von einer deutschen Band. Was für ein Statement!

Und was ist nun mit den philosophischen Antworten? Nun, ja, eine steht zumindest fest: Das Leben kann swingen. Das ist doch schon mal was.
Peter Krutsch, 2024

Tourdaten:

20.09.2024 Leipzig / Schille Theater (LeipJAZZig)
21.09.2024 Pohrsdorf / Saxstall
22.09.2024 Osnabrück / Jüdische Gemeinde (16.00 Uhr)
25.10.2024 Berlin / Jazz Treff Karlshorst (20.00 Uhr)
17.11.2024 Potsdam / Jüdische Gemeinde (16.00 Uhr)
15.12.2024 Heidelberg / Jüdische Gemeinde (17.00 Uhr)

Besetzung:

Pascal von Wroblewsky – Gesang
Lora Kostina – Klavier, Kompositionen
Daniel Werbach – Kontrabass
Tom Friedrich – Schlagzeug

Eintritt: im VVK über „Tickets“-Button 20 bzw. 15 EUR, an der Abendkasse 23 bzw. 18 EUR.

LeipJAZZig e. V.

0049 341 3500 5299

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Theaterhaus Schille

Otto-Schill-Straße 7
Leipzig, Sachsen 04109 Deutschland
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